Wie die Schweiz von Investitionen in Wasserstoff profitiert

Die Lösung für die Energiewende scheint auf der Hand zu liegen: Wird alles mit grünem Strom betrieben, verschwinden die schädlichen CO2-Emissionen. Das klingt verlockend, doch die Geschichte hat einen Haken.

 
Wie die Schweiz von Investitionen in Wasserstoff profitiert
Torsten Kowalski und Beat Goetz

Ursprünglich veröffentlicht am 2. Dezember von NZZ in der Dezember-Ausgabe 2022 von Nachhaltig Investieren.
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Laut der Columbia University’s School of Climate Research lassen sich etwa 15 Prozent der CO2-Emissionen nicht durch Öko-Strom beseitigen. Hier kommt der Wasserstoff ins Spiel, das Schweizer Sackmesser der Energy Transition.

Wie ein Sackmesser kann auch Wasserstoff vielfältig eingesetzt werden, um die verbleibenden Kohlendioxidemissionen erheblich zu senken. Doch der Einsatz von Wasserstoff muss für jeden Anwendungsfall abgewogen werden. «Du könntest den Reifen deines grossen Holland-Velos mit einem Schweizer Taschenmesser zwar wechseln, aber du tust es nicht. Der Grund dafür ist, dass es immer etwas Günstigeres, Sichereres und Einfacheres gibt», sagt Michael Liebreich, Gründer von Bloomberg New Energy Finance und Energiewende-Experte. Denn Wasserstoff als Energieträger hat einen Schwachpunkt: Wird er aus grünem Strom produziert, geht bis zu einem Drittel der eingesetzten Energie verloren. Soll die im Wasserstoff gespeicherte Energie wieder nutzbar gemacht werden, zum Beispiel in Form von elektrischem Strom, gibt es abermals Effizienzverluste.

Aber die Flexibilität und Dynamik von Wasserstoff ist einzigartig und macht ihn als Energieträger besonders wertvoll. Von der Margarine auf dem Frühstückstisch über Chemikalien im Auto bis hin zum Plastikbeutel zu Hause – ohne das Wasserstoffmolekül geht es nicht. Der grösste Nutzen von Wasserstoff kommt in der Industrie zum Tragen. Dort, wo der Ausstoss von Treibhausgasen selbst durch grünen Strom nicht eliminiert werden kann, zum Beispiel bei der Herstellung von Düngemitteln, der Fertigung von Stahl oder in Dutzenden anderen Industrieprozessen, die sich nicht elektrifizieren lassen.

Neue Infrastruktur für die Energy Transition

Der Durchbruch für erneuerbar erzeugten Strom war möglich, weil er in eine bestehende Infrastruktur integriert werden konnte. Für grünen Wasserstoff muss hingegen gleichzeitig die Infrastruktur für seine Erzeugung, für den Transport und seine Anwendung entwickelt oder umgerüstet werden. Und selbstverständlich braucht es Investoren, die das finanzieren.

Der Investitionsbedarf ist dabei allerdings hoch. Bis zu 5,5 Billionen Euro, so schätzt die von Deloitte betreute Studie «Hydrogen4EU», werden in den kommenden 30 Jahren dafür benötigt. Das entspricht dem Siebenfachen der jährlichen Wirtschaftsleistung der Schweiz. Eine Weiterverwendung bestehender Infrastruktur, zum Beispiel durch die Umnutzung von bestehenden Erdgaspipelines, ist wirtschaftlich geboten.

Energy Infrastructure Partners (EIP) wurde 2014 mit dem Ziel gegründet, die Zukunft des Energiesystems mitzugestalten. Seither investiert das Zürcher Unternehmen das Geld seiner Anleger langfristig in qualitativ hochwertige, gross angelegte erneuerbare Energieprojekte wie Windparks, Solaranlagen und Wasserkraftwerke sowie in Infrastruktur für den Energietransport, wie Stromnetze und Pipelines. Infrastruktur, die heute Erdgas transportiert, könnte in naher Zukunft auf den Transport von Wasserstoff umgerüstet werden.

Europa mit Wasserstoff versorgen

Erst vor wenigen Wochen hat EIP im Auftrag seiner Kunden eine Vereinbarung zur Beteiligung am belgischen Gasübertragungsnetzbetreiber Fluxys unterzeichnet. Das 12 000 Kilometer lange Netz von Fluxys verbindet die Kernregionen des Kontinents miteinander und ist darüber hinaus über Griechenland auch mit Importwegen aus Asien verknüpft.

Auch Fluxys bereitet sich auf eine Zukunft nach dem Einsatz von fossilem Erdgas vor. Es ist jedoch noch nicht möglich, bereits «heute zu sagen, wie die Zukunft in 30 Jahren aussehen wird», sagt Fluxys-CEO Pascal De Buck. «Benötigt wird eine Kombination verschiedener Lösungen, darunter Wasserstoff.» Das Pipelinenetz spielt dabei eine zentrale Rolle. Eine Analyse der Industrievereinigung Hydrogen Council in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company prognostiziert, dass in Zukunft 60 Prozent des Wasserstoff- und Wasserstoffderivateverbrauchs über lange Strecken importiert werden müssen. Länder mit hoher Sonneneinstrahlung und Solarpotenzial im Süden Europas, aber selbst in Nordafrika und im Nahen Osten könnten grünen Wasserstoff zu niedrigen Kosten europaweit ausliefern. Deshalb würde die Fähigkeit, Wasserstoff zu importieren und durch Europa zu transportieren, innerhalb weniger Jahrzehnte unschätzbar wertvoll.

Die Schweiz ist schon früh mit dabei

Auch zu Hause in der Schweiz ist EIP stark engagiert. Als Portfoliomanager für eine Schweizer Anlagegruppe, der eine Vielzahl von Schweizer Pensionskassen angeschlossen ist, verwaltet das Unternehmen eine grosse Beteiligung am Energiekonzern Alpiq, der massgeblich zur Versorgungssicherheit der Schweiz beiträgt. Alpiq hat auch den Bau eines der ersten industriellen Wasserstofferzeuger des Landes vorangetrieben. Im Elektrolyseur am Laufwasserkraftwerk Gösgen wird Wasser durch grünen Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. «Wasserstoff wird zu einem Schlüsselenergieträger, der in einer Netto-Null-Welt eine ähnlich zentrale Rolle spielt wie das Erdgas in der heutigen Welt», meint Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser. Alpiq kann «als First Mover in der Schweiz früh wertvolle Erfahrungen und Know-How sammeln», erklärt Kanngiesser.

Zudem verwaltet EIP seit dem Jahr 2016 die Beteiligung an der Tessiner Firma FluxSwiss, die den grenzüberschreitenden Handel der Pipeline Transitgas organsiert. Transitgas verbindet die Schweiz mit Italien, Frankreich und Deutschland. Heute ist sie eine Arterie, die die Schweiz mit Erdgas versorgt. In Zukunft kann sie entscheidend dazu beitragen, Wasserstoff aus dem Süden Europas in die Schweiz und weiter Richtung Norden zu befördern. Die damit verbundenen technischen Anpassungen sind grundsätzlich mit entsprechenden Investitionen zu wettbewerbsfähigen Kosten umsetzbar.

«Wir brauchen eine Strategie»

Wie bei allen grossen Infrastrukturprojekten – sei es die Eisenbahn oder die Telekommunikation – wird auch die Energietransition und der Übergang in eine Wasserstoffwirtschaft nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Privatwirtschaft und Staat gelingen.

«Wasserstoff wird von verschiedensten Kreisen als wichtiges Element in der Entwicklung der Dekarbonisierung unserer Wirtschaft in den nächsten Jahren angesehen», erklärte Bundesrätin Simonetta Sommaruga 2021 im Nationalrat. «Die Schweiz hat hier einiges zu bieten.» Gleichzeitig legte sie den Finger in die offene Wunde. «Aber wir brauchen eine Strategie», betonte sie.

Dazu gehört die Verständigung mit den Nachbarländern und mit der Europäischen Union, um zum Beispiel regulatorische und technische Anforderungen sowie den Tarifrahmen festzulegen. Während unsere Nachbarn aber bereits Wasserstoffstrategien bis 2050 erarbeitet haben, fehlt ein solches Leitbild in der Schweiz noch, wie Sommaruga betont. Um dauerhaft nachhaltige Investitionen zu ermutigen, sollte die Schweiz deshalb zeitnah eine klare Strategie formulieren und diese zügig umsetzen.

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Dr. Torsten Kowalski, Vice President, und Beat Goetz, Global Head of Client Solutions, beide Energy Infrastructure Partners, Zürich

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